Wie Mercedes auf den Heckmotor kam

Mercedes-Benz 130 als Cabrio-Limousine (Baureihe W 23). Im Foto ein Fahrzeug nach der Modellpflege des Jahres 1935.

© Daimler AG

Gebogene Fronthaube, zwei Türen, Heckmotor, 1300 Kubikzentimeter, vorgestellt in den 1930er Jahren. Was mag das wohl sein? Falsch geraten. Der im März 1934 auf der Automobilmesse IAMA in Berlin präsentierte Kleinwagen stammte weder von VW (das damals noch gar nicht gegründet war) noch von Ferdinand Porsche (der die Vorserienmodelle des Käfers erst drei Jahre später vorstellte) – sondern von Mercedes-Benz. Für das damalige Publikum, das protzige Karossen und kantige Kühlergrills gewohnt war, musste das Design ziemlich verstörend gewirkt haben. „Lediglich der Mercedes-Stern zeigt dem Besucher, dass er am richtigen Stand steht“, schreibt die Daimler AG im Rückblick.

Grund für die Entwicklung war die schwierige Wirtschaftslage, wegen der Mercedes-Benz seine Modellpalette nach unten abrunden wollte. Der Mercedes-Benz 130 war nach Angaben der Daimler-Webseite damals „der kleinste Serien-Pkw, der erste Heckmotorwagen und das erste Vierzylindermodell der Daimler-Benz AG“.

Der Originalprospekt begründete die Zurücksetzung des Antriebs mit drei Vorteilen: „Erstens bildet der Motor mit dem Getriebe, dem Differential und der Hinterachse ein geschlossenes und leicht zugängliches Aggregat. Zweitens wurde […] Raum für die Insassen gewonnen. Drittens konnte der Platz für alle vier Passagiere zwischen die beiden Achsen verlegt werden, wodurch das Fahren beträchtlich an Annehmlichkeit gewinnt.“

Die Vorteile des neuen Designs schlugen sich auch in den Fahrleistungen nieder: Durch das geringe Gewicht und den für damalige Verhältnisse guten cw-Wert von 0,516 schaffte der Wagen immerhin eine Spitze von 92 km/h. Das Schwestermodell mit 1,7-Liter-Frontmotor hatte zwar sechs PS mehr, war aber trotzdem langsamer.   

 

 

 Fahrgestell des Mercedes-Benz 170 H (Baureihe W 28). 

© Daimler AG

Beim Antrieb enden die Parallelen zum Käfer. Die Mercedes-Ingenieure bauten einen wassergekühlten Reihenmotor längs hinter die Hinterachse ein. Das sollte Folgen haben: Weil man der Versuchung erlegen sei, statt des kurzen Boxermotors „den längeren, wenn auch einfacheren Reihenvierzylinder zu nehmen“, seien die  ersten Versuchsfahrten „keineswegs zufriedenstellend“ gewesen, schrieb Konstrukteur Josef Müller in seinen Lebenserinnerungen. „Der [...] Geburtsfehler der Pendelachse wirkte sich im Zusammenspiel mit der großen Hecklastigkeit stärker als erwartet aus.“ Und neben der Hecklastigkeit berichteten Insider auch immer wieder von Kühlungsproblemen des Motors.

Autojournalist und -konstrukteur Joseph Ganz – der mit dem „Standard Superior“ selbst einen heckgetriebenen Vorläufer des VW Käfers entwickelt hat – bezeichnete das Mercedes-Antriebsaggregat gar als „Außenbordmotor“. Erst durch die Feinabstimmung des Fahrwerks sei es gelungen, aus dem „zunächst recht störrischen Vehikel ein brauchbares Gefährt zu machen“, erinnert sich Josef Müller.

Auch das „eigenständige“ und „avantgardistische“ Design habe laut Daimler den Markterfolg „nicht gerade erleichtert“. Dennoch lagen die Stückzahlen des 130 nur geringfügig unter denen des Frontmotor-Modells.

Mercedes-Benz 170 H Limousine (Baureihe W 28)

© Daimler AG 

Dies sollte sich beim zwei Jahre später vorgestellten Nachfolger, dem 170 H, allerdings ändern. Dabei hatte dieser nicht nur einen größeren Motor, sondern auch eine rundlichere und harmonischere Formgebung als sein Vorgänger. Und er bot ebenfalls mehr Platz und bessere Fahrleistungen als sein Schwestermodell mit Frontmotor.

Trotzdem wurde er zum Flop. Laut Daimler wurden zwischen 1935 und 1939 gerade einmal 1507 H-Fahrzeuge gebaut, von der V-Variante waren es fast 50 Mal so viel. Als Gründe nennt Daimler die geringere Auswahl an Karosserieformen sowie der um 16 Prozent höhere Preis.  

Die Stunde des Heckmotors schlug erst wieder im Zweiten Weltkrieg: Die Wehrmacht beschlagnahmte den 170 H nicht, weil sie ihn für militärisch ungeeignet hielt. Deshalb überlebten relativ viele Exemplare den Krieg. Zwei davon steht nun eine Wiedergeburt als Schlör-Wagen bevor. 

 

Baureihe

130 (W 23)

170 H (W 28)

Varianten

Limousine, Cabrio, Cabriolimousine

Rahmen

Zentralrohr, hinten gegabelt

Vorderachse

Einzelradaufhängung, Quer-Blattfedern

Hinterachse

Zweigelenk-Pendelachse, Spiralfedern

Motor

4 Zylinder, Reihe, wassergekühlt

Hubraum

1308 cm³

1697 cm³

Leistung

19 kW (26 PS)

bei 3400 U/min

28 kW (38 PS)

bei 3400 U/min

Höchstgeschwindigkeit

92 km/h

110 km/h

Getriebe

3 Gang + Schnellgang, vor der Hinterachse

Länge x Breite x Höhe

4050 x 1520 x 1510 mm

4200 x 1580 x 1600 mm

Leergewicht

980 kg

1125 kg

Produktionszeit

1934 – 1936

1936 – 1939

Stückzahl

4298

1507

Preis

3200 – 3680 RM

4350 – 4500 RM

Schwestermodelle

170 (W 15),

150 Sport-Roadster (W30)

170 V (W 136)

Bildergalerie: Der Mercedes 170 H und seine Familie